Schillers Ausspruch findet in vielen Lebensbereichen Anwendung, nicht zuletzt auch in der IT. Hier geht es zwar nur selten um ewige Bande, aber dafür um mittelfristige Entscheidungen in sensiblen Leistungsbereichen. Daher sollten auch in der Wahl des Hosting Providers die Vertragsentscheidungen gut vorbereitet sein.
Die Evaluierung eines eines Hostingvertrag (-swerks) ist komplex und aufwändig. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenstellung meiner Erfahrungen, um Ihnen die ersten Schritte in diesem nicht ganz alltäglichen Vorhaben etwas zu erleichtern. Bei Rückfragen oder Anmerkungen freue ich mich über Ihre Nachricht.
So viel Arbeit
Es mag selbstverständlich erscheinen, ist jedoch deswegen nicht weniger wichtig: Sie sollten sich zuallererst die Frage stellen, ob eine Evaluierung überhaupt Sinn macht. Denn es ist durchaus so, dass bereits die Prüfung von Alternativ-Anbietern einen nicht unerheblichen Aufwand erzeugt. Das wird im Eifer des Gefechts gern übersehen, daher folgend ein paar grundsätzliche Anregungen zur Frage: ‚Bin ich zufrieden mit meinem internen oder externen SAP Hosting-Betreiber?‘.
- Kontaktieren Sie Ihre IT Verantwortlichen – wo liegen aktuell die Schmerzen?
- Sprechen Sie mit dem heutigen Betreiber – kann er veränderte Anforderungen bedienen?
- Suchen Sie das Gespräch mit dem Branchenprimus, um die Marktsituation kennenzulernen.
- Suchen Sie in der DSAG oder anderen IT Entscheiderkreisen nach Praxiserfahrungen.
Diese Vorarbeiten kosten Sie nur ein paar Tage Aufwand. Nutzen Sie diese Chance um das Risiko von verpassten Gelegenheiten gegen unnötigen Aufwand abzuwägen. Sehen Sie nach dieser Analyse ein Nutzenpotential in einer Ausschreibung, überschlagen Sie den dafür nötigen Aufwand. Anbei einige Abschätzungen zum internen Aufwand:
- Vorbereitung, Umsetzung der Evaluierung (4-5 Partner): ca. 30 Tage Aufwand (3-4 Monate Laufzeit)
- Vorbereitung, Umsetzung der Transition (1 Landschaft): 30 Tage Aufwand (3-4 Monate Laufzeit)
- Je weitere Systemlandschaft: 5-15 Tage Zusatzaufwand (2-4 Wochen zusätzliche Laufzeit)
Somit sollten Sie mindestens 9 Monate (besser 12) vor Vertragsende mit den Evaluierungsüberlegungen beginnen. Natürlich geht es im Notfall auch schneller, jedoch bringen Sie sich um wichtige Puffer für Abstimmung, Verhandlung und unvorhergesehene Probleme. Der externe Aufwand für die Evaluierung wird im Normalfall vollständig vom Anbieter getragen. Für die Transition jedoch sollten Sie hier für mittlere SAP-Landschaftsgrößen einen mittleren fünf- bis niedrigen sechsstelligen Betrag erwarten.
Diese Zahlen sind natürlich grobe Richtgrößen, und hängen von einer Vielzahl Faktoren ab. Insbesondere skaliert zeitlicher und personeller Aufwand nicht linear wenn Sie sich sehr kleine oder sehr große IT Landschaften anschauen. Ein Konsolidierungsprojekt im Deutsche Bank Konzern wird vermutlich eher Größenordnungen von Jahren treffen. Die Auschreibung und Transition für eine einzelne SAP HR 3-System-Landschaft wird demgegenüber eventuell nur 3 Monate benötigen.
Aber für die Orientierung liegen Sie mit diesen Schätzwerten zumindest nicht völlig daneben.
Zeitplanung
Sie haben sich für eine Evaluierung entschieden? Gut, wie oben umrissen sollten Sie dafür mindestens drei Monate einplanen. Mit der Menge der involvierten Partner steigt zwar nicht die Dauer der externen Timelines (Indikation, Angebot) aber sehr wohl der zeitliche Aufwand für die interne Prüfung. Es empfiehlt sich ein mehrstufiges Verfahren, um den Löwenanteil der Arbeit auf jene Partner zu konzentrieren, die Ihren Vorstellungen am ehesten entsprechen.
Involvieren Sie die IT (60%), den Einkauf / Legal (30%) und das Controlling (10%) in das Vorhaben. Sorgen Sie dafür dass diese im angemessenen Umfang am Fortgang der Ausschreibung teilhaben. So sind alle Kollegen umfassend informiert und über die aktuellen Fragestellungen im Bilde.
Grob lassen sich folgende Phasen der Evaluierung unterscheiden:
Evaluierung Ja/Nein (2 Wochen)
- Befragung interner Stakeholder
- Befragung aktueller Hosting-Partner
- Evaluierung weiterer externer Informationsquellen
- Kündigungsbedingungen für den Altvertrag (!)
Phase 1: Long List (8 Wochen)
- Zeitraum 2 Wochen: Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen (grobe Leistungsbeschreibung)
- Zeitraum 1 Woche: Identifizierung potentieller Partner, Anschreiben mit Bitte um Indikation
- Zeitraum 2 Wochen: Nachhalten der Rückmeldungen, Durchführen von kurzen Workshops
- Zeitraum 2 Wochen: Konsolidieren der Rückmeldungen, Klärung der letzten Fragen
- Zeitraum 1 Woche: Interne Abstimmung der Shortlist, Information an die Anbieter
Phase 2: Short List (8 Wochen)
- Zeitraum 2 Wochen: Präzisieren der Anforderungen auf Basis Phase 1
- Zeitraum 3 Wochen: Durchführen von Intensiv-Workshops, fachliche Angebotsfinalisierung
- Zeitraum 2 Wochen: Angebotsprüfung (legal / kaufmännisch)
- Zeitraum 1 Woche: Entscheidung und Vertragsunterschrift
Beide Phasen können je nach Projektgröße, Beteiligten und Anforderungen schwanken. Wichtig ist, dass Sie frühzeitig das Vorhaben und den Zeitplan an alle internen und externen Beteiligten kommunizieren. Das gilt vor allem intern für den Entscheiderkreis, den Sie abschließend auch für die Unterschrift benötigen.
Zeitiges Anmelden sichert hier die termingerechte Unterschrift, und diese ist wichtig um die ggf. nachfolgende Transition nicht zu verzögern.
Anforderungen
Die Anforderungsdefinition variiert natürlich je nach Ihrer IT Landschaft und den Anforderungen der Fachbereiche. Der vielzitierte Begriff des ‚Business Enablers‘ findet hier wieder mal praktische Anwendung. Auch wenn das Thema SAP Hosting im Normalfall ein IT Thema ist, so liegt die Anforderungsdefinition im ersten Schritt in der Fachabteilung.
Mögliche Fragestellungen
- Welche Anforderungen gibt es an die Serviceverfügbarkeit
- Welche Anforderungen bestehen an die Antwortzeiten
- Liegt der Fokus eher auf Dialogbetrieb oder Hintergrundbetrieb?
- Wie volatil sind die Leistungsanforderungen während der Vertragslaufzeit?
- Welche zusätzlichen (non SAP) Produkte sollen gegebenenfalls auch Teil der Vertrages werden?
Von diesen Anforderungen leiten sich die zentralen Vorgaben für Lastenheft direkt ab:
- Maximale Ausfallzeit am Stück / zugesagte Verfügbarkeit in Prozent (auf Monatsbasis)
- Hardware-Ausstattung / Antwortzeitenzusage
- Dedizierter Datenbankserver, Einsatz von sekundären Applikationsservern / Load Balancing
- Physikalische Umgebung oder virtuelle Umgebung
- WAN, Archiv, Tools zur Prozessautomatisierung (bspw. Automic), SFTP Server, usw.
Versuchen Sie das Lastenheft möglichst sachlich zu halten, und wenig Prosa hineinzubringen, das erleichtert die Pflege und die Prüfung. Für die Rückmeldungen der Anbieter ist es empfehlenswert, die Anforderungen nach Kontext sortiert in einer Tabelle aufzuführen, in der Sie dann übersichtlich die jeweiligen Erfüllungsgrade festhalten können.
Leistungen
Übersenden Sie den Anforderungsentwurf (Phase 1) und das detaillierte Lastenheft (Phase 2) an den Anbieter, und bieten Sie Telefonkonferenzen und Workshops an um Unklarheiten auf beiden Seiten zu diskutieren. Sorgen Sie dafür, dass die Anbieter auch während der Phasen alle den gleichen Informationsstand haben.
Ein paar Hinweise dazu:
- Gewichten Sie Ihre Anforderungen intern (Erhöhung der Aussagekraft der Kriterien)
- Dokumentensichtungen kosten Zeit (Anbieter werden in Angeboten oft von Ihrer Struktur abweichen)
- Dokumentensichtungen kosten mehrfach Zeit (!) (5-6 Revisionen je Vertrag sind keine Seltenheit)
- Bitten Sie die Anbieter darum, die Änderungen zu markieren / dokumentieren (erleichtert die Prüfung ungemein)
Scheuen Sie sich übrigens nicht, bestimmt aufzutreten und die persönlichen Anbieter-Workshops im großen Kreis selten und kurz zu halten. Anbieter haben ein natürliches Interesse Sie möglichst oft zu sehen und möglichst viel Zeit mit Ihnen zu verbringen (‚Visibility‘). Ihr interner Aufwand steigt jedoch stark an wenn Sie selbst und Ihre Kollegen aus IT, Einkauf und Controlling mit allen 5 Anbietern der Phase 1 in Tages-Workshops feststecken. Für das erste Beschnuppern ist eine Indikationspräsentation von 2h völlig ausreichend – gute Vorbereitung ist hier jedoch Pflicht.
Für die Phase 2 können Sie sich etwas mehr Zeit für jeden Einzelnen nehmen, aber auch hier sollten Sie darauf achten dass sich Anbieter nicht über die Workshopdauer in den Vordergrund drängen. Der Vorteil an diesem Vorgehen: sie sparen Zeit, und lernen gleich etwas über die Bereitschaft der potentiellen Partner, auf Kundenanforderungen einzugehen.
Vergessen Sie beim Vergleich der Angebote außerdem nicht, dass zusätzlich zum reinen Setup der Betriebsumgebung fast immer auch Umzugsaufwand anfällt – selbst wenn Sie Ihren bisherigen Partner beibehalten. Halten Sie die Angebote vergleichbar, indem Sie auch Überschläge für einplanbare Leistungen hinzunehmen (bspw. Anzahl Systemkopien bzw. Support Package Implementierungen pro Jahr).
Vertragsabschluss
Konsolidieren Sie alle Ergebnisse in einer Übersicht, bewerten und gewichten Sie sie und lassen Sie (in Phase 2) die Vertragsangebote von Legal prüfen. Sobald alle Partner der Shortlist validiert sind, entwickeln Sie gemeinsam mit IT, Einkauf und Controlling eine ‚interne Präferenz‘, bei der möglichst alle Beteiligten ein gutes Gefühl haben. Achten Sie dabei auch auf Ihr Bauchgefühl – wie gut funktionierte der Vertriebsprozess, wie aussagekräftig waren die Presales-Kollegen, wie war Ihr genereller Eindruck?
Stellen Sie Ihre Präferenz neben den übrigen Partnern aus beiden Phasen dem internen Entscheidungsgremium vor (30-60 Minuten, bestehend aus Unterschriftsberechtigtem und der untergeordneten Management-Ebene), und klären Sie eventuelle Rückfragen zeitnah und abschließend.
Nach Entscheidung sollte schnellstmöglich die Unterschrift folgen, denn es gibt viel zu tun – das Transitionsprojekt wartet schon.
In diesem Sinne viel Erfolg bei der Partnerwahl wünscht Ihnen